4. Werkforum „Plastische Perspektiven“ am 22. August bis 29. August 2020 im Skulpturenpark / Parksaal Bad Salzhausen.
Zu den einzelnen Künstlern:
„Mein Material Draht erlaubt es mir, hinter der Materie liegende Räume, Schwingungen, Felder oder Bewegung sichtbar zu machen. Einerseits verschwindet so das vordergründig Schwere, Feste und Abgegrenzte und eine energetische Realität zeigt sich, indem Körpergrenzen sich auflösen und pulsieren“ sagt die Mannheimer Metallbildhauerin zu ihrem Werkprozess. Dabei löst sich die Materialität ihrer figürlichen Arbeiten weitgehend auf, wird Körperanmutung, Material und Raum zu einer Einheit, die in ihrer Leichtigkeit und Skizzenhaftigkeit besticht und den Betrachter in seiner Wahrnehmung herausfordert. Parallel zu einem Studium der Psychologie in Heidelberg und San Francisco entwickelte die Künstlerin ihr plastisches Werk, bei dem sie durch ihr Material des verschweißten Drahtes eine stark zeichnerisch anmutende Formensprache ins Räumliche transformiert. Ihre so erzeugten figürlichen Abstraktionen gehen dabei weit über eine bloße Schilderung der Erscheinung des Körperlichen hinaus. Vielmehr vermitteln sie quasi einen Eindruck des Unausdrücklichen in Bezug auf die eigentliche Wesenhaftigkeit des Menschen.
Der in der Nähe Aschaffenburgs lebende Steinbildhauer Christoph Jakob bringt dagegen eher schweres Material nach Bad Salzhausen in den Park. Er lässt in seinem Werk Steinskulpturen entstehen, die Ruhe und Kraft ausstrahlen. Stets sucht er dabei eine harmonische Balance zwischen den Eigendynamik seines Materials, vorwiegend dem auch bei uns dominierenden Basalt, und seinen vorsichtigen gestalterischen Eingriffen, die von großer Sensibilität und Materialkenntnis geprägt sind. So leben seine ungegenständlichen Skulpturen stark von den Oberflächeneigenschaften und farblichen Eigenheiten, die zudem von der jeweiligen Bearbeitung durch Schliff und Schnitte geprägt sind. Gerade diese eigentlichen Arbeitsspuren sind es, die eine stark grafische Anmutung in Form von Linien, Löchern oder Farbveränderungen mit sich bringen, die den Abstraktionsgrad noch zu steigern wissen. Christoph Jakobs Studium an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn mag ein zusätzliches Indiz dafür sein, dass der Künstler nicht nur formal ästhetische Konzeptionen verfolgt, sondern vor allem auch Bedeutungsebenen des Inhaltlichen bei seiner Arbeit anstrebt, wie man bei seiner Arbeit “Sternenspiegel“ erahnen kann.
Ein König und eine Königin des in Bayern beheimateten Holzbildhauers Andreas Kuhnlein sind dessen Beitrag zum diesjährigen Werkforum 2020, die nun für mindestens ein Jahr den oberen historischen Kurpark monarchisch beherrschen werden. Dabei gestaltete Kuhnlein das Paar bewusst ruppig, wie nahezu alle seiner Menschenbilder. Sein „modernes“ Arbeitsgerät Kettensäge hinterlässt durch eine stark expressive grobe Arbeitsweise die typische rauhe, teilweise zerschnittene und aufgebrochene Oberfläche auf seinen hölzernen Werken, die uns von einem typischen Kuhnlein-Werk sprechen lassen. Dabei entmaterialisiert er zuweilen seine Figuren so stark, dass sie eine Verletzlichkeit ausstrahlen, die so auch im metaphorischen Sinne verstanden werden kann. Der ehemalige Polizist des Bundesgrenzschutzes verfolgt vorwiegend „große Themen“ wie etwa „das Narrenschiff“ oder „Das Ei des Kolumbus“ und macht auch nicht vor großen Vorbildern halt wie etwa bei seiner Version des „Magdeburger Reiters“ oder seinen Adaptionen griechischer Skulptur in der Münchener Glyptothek. Unseren heimischen Skulpturenpark in einem Atemzug nennen zu dürfen mit dem „Münchener Haus der Kunst“ ist dann auch als Geschenk der Regentschaft des „Königs“ und seiner „Königin“ zu verstehen.
Aus Stuttgart kommt der Bildhauer und Performance-Künstler Thomas Putze zu uns. An der dortigen Staatlichen Akademie der bildenden Künste bei Micha Ullmann und W. Pokorny studiert, ist Putze so etwas wie eine Art Enfant terrible der Bildhauerei. Umso erstaunlicher ist, dass er zuvor ein Theologiestudium in Wuppertal absolvierte. Seine Assamblagen aus Holz und oft metallenen Fundgegenständen vermitteln meist einen humorvollen und skurrilen Eindruck menschlicher und auch tierischer Existenz. Wobei oft Menschliches im Tier genau wie Tierisches im Menschen dabei sichtbar werden. Auch Putze arbeitet eher grob und improvisierend mit seinen Materialien. Seine im besten Sinne erzählerischen und verspielt illustrativen Arbeiten bekommen durch die brachiale Herstellungsweise eine ausdrucksstarke formale – zudem aber auch inhaltlich eindrückliche Qualität und Kraft. Thomas Putze wird bereits ab Donnerstag dem 20.8. im Skulpturenpark vor Ort sein und dort seine Installation aus alten Metallrohren und Ästen realisieren. Man darf gespannt sein und ist somit eingeladen dieses Werk in seiner Entstehung zu verfolgen.
Als Gründungsmitglied und langjähriger Vorsitzender von KUNST:PROJEKT ist dieses Jahr auch Axel Wilisch Teilnehmer des Werkforums. In Mainz hat er an der Kunstakademie Bildhauerei studiert und sein Staatsexamen als Kunstpädagoge absolviert. Auch er betreibt seine künstlerische Arbeit mit der Kettensäge und beschäftigt sich, ähnlich wie Thomas Putze, im diesjährigen Werkforum mit der Gegenüberstellung von Mensch und tierischer Kreatur. Analog zu einem kürzlich realisierten, weiteren Beitrag zum Skulpturenpark, einer abstrakte Installation mit dem Titel „Der Weg“, bezieht sich Wilisch mit seiner Arbeit „Gegenüberstellung“ auf einen konkreten Ort im Park. Entsprechend ist es für ihn nur folgerichtig, dass sein Stier nun genau an jenem Ort stehen wird, der ihm das Material für seine Skulptur lieferte: auf der leichten Anhöhe seitlich vom Parksaal ist die Skulptur aus einer mächtigen Eiche der Pflanzung Bindernagels von 1824 herausgearbeitet worden. Ihr gegenübergestellt ist eine menschliche Figur, Aug in Aug mit der Kreatur. Freilich ohne eine Antwort zu liefern auf die Frage nach der Künstlichkeit in der Natur bzw. des Natürlichen in der Kunst.