Dem Schweren Leichtes verleihen
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Dem Schweren Leichtes verleihen

8. Werkforum in Bad Salzhausen: Abstraktes im Oberen Kurpark

Das ist kein Widerspruch, sondern beschreibt die Vernissagen beim Werkforum des Vereins Kunst-Projekts, auch jetzt beim achten.
Es bot Live-Musik, Rundgang zu den Werken der fünf Kunstschaffenden, Dialog zwischen ihnen und dem Vereinsvorsitzenden Matthias Weidmann, den Gästen und einen Ausklang. Premiere beim achten Werkforums hatten Nylonstrümpfe, die Nicole Jänes als Material verwendet. Das gab es noch nie. Wieder ist der Parksaal zur Galerie geworden, wieder kamen viele Besucher früh, nutzten die Chance, die Werke intensiv zu betrachten, die ausliegenden Kurzbiografien der Ausstellenden zu lesen. Es sind Clemens Hutter, Nicole Jänes, Ortrud Sturm, Damaris Wurster und Ulrich Westerfrölke.

Wieder standen die Türen offen. Es schien ein schöner Sommerabend zu werden – eine Illusion, wie sich später herausstellte. Mit dem Titel »To you« stimmte die Band Dolphin & Stars – das sind Sängerin Diana Perez, Olaf Thurau an der Gitarre, Wini Müller am Schlagzeug und Wolfgang Gietz am Bass – auf die Vernissage ein.

Werkforum ist eine Brücke zur Kunst

Weidmann sprach die unterschiedlichen Positionen, Materialien, Aspekte der Künstlerinnen und Künstler an. Die Grüße des Magistrats überbrachte Kulturmanager Martin Guth, der die Arbeit des Vereins als Türöffner empfindet: »Kunstaffine bekommen hochwertige Exemplare zu sehen, für andere wird es eine Brücke zur Kunst, für den Park eine Bereicherung.« Dankesworte an die Sponsoren des Werkforums, aber auch an die vielen Mithelfenden, ohne die die gastliche Präsentation nicht möglich wäre, sprach Kassenwart Klaus Peter Wurst. Der Rundgang begann vor dem Parksaal mit einem Dialog zwischen Damaris Wurster und Weidmann vor einer Fahne in leuchtenden Farben und fließenden Strukturen, die an Wellen oder einen Sonnenuntergang erinnerten. Wurster ermutigt, die Fantasie spielen zu lassen, bestätigte Weidmanns Deutung von »Zufallsformen, von uns gelesen«. Das Abstrakte wird gewonnen, indem analoge Aufnahmen und Filme zerlegt werden.

Das geschieht mit Chemikalien, aber auch ungewöhnlichem Material. Die PVC-Bahn der Fahne lag wochenlang in der Erde. Im Parksaal selbst ist über weitere aufwendige Arbeitsprozesse Wursters mithilfe von KI zu erfahren. Fahnen als Hoheitszeichen. »Dem Schweren Leichtes geben« formulierte Weidmann vor Clemens Hutters »Bücherregal «. Es ist eine scheinbar der Schwerkraft trotzenden Plastik aus aufeinander geschweißten Stahlquadern. Hutter selbst sprach davon, »dem Stahl etwas abzugewinnen «. Er ist vom handwerklichgestalterischen Umgang mit seinem spröden Material  fasziniert, setzt die Metallobjekte, die er schafft, in einer Kältekammer extremen Temperaturen aus, sucht die Herausforderung, auch geborstene, mit Rissen versehene Stahlkörper zu einem Ganzen zusammenzufügen.

Alle Arbeiten dieses Werkforums sind abstrakt. Weidmann führte zu einem kleinen Exkurs, zu Axel Wilischs figürlicher Plastik »Memento mori« (diese Zeitung berichtete). Im Schäferteich steht die Metallplastik »Wasserflieger« von Ulrich Westerfrölke in unablässiger sanfter Bewegung durch das Wasser. An einer anderen Stelle des Kurparks werden seine »Birdies« vom Wind bewegt und Weidmann fand die schöne Formulierung vom

»Windballett«, dem »Stillen Orchester «. Westerfrölke, der auch Physiksemester besucht hat, zitierte: »Kräfte zeigen sich an ihren Wirkungen«. So wurde das Gestalten kinetischer Objekte zu seinem Lebensthema, der Wunsch, »Birdies« in vielen Ländern aufzustellen, ein weltumspannendes Ganzes zu schaffen, zu seinem (zum Teil realisierten) Lebenstraum. Ein Platzregen ließ die Gruppe in den Parksaal zurückkehren. Das Interesse blieb, die Gespräche waren angeregt, dann ging es wieder in den Park zu »Tree Tension«. Das ist Nicole Jänes buntes Formengebilde aus Strümpfen, an zwei Stämme gespannt und im Dämmer des Baumschattens aufleuchtend.

Die Kunstpädagogin ist von der Wiederverwendung gebrauchten Materials fasziniert, das zudem in Bezug zu Körperlichkeit, zu Weiblichkeit steht, sich mit den Bäumen zu einem Ganzen fügt. Jänes nannte ihre Vorliebe, vom Atelier wegzugehen: «›Tree Tension‹ ist aus dem Ort. Eine stimmige Platzierung: Ortrud Sturms Kiefernholzskulptur »Verbunden« steht in Blickachse zu einem anderen Werk von ihr, aufgestellt beim Werkforum 2002. Die Künstlerin bestätigte Weidmann Deutung vom »nachvollziehbaren Ordnungssystem«, von Ratio und Logik, die in Sturms Gestalten eine Rolle spielen. Der Bericht Sturms gab einen Blick in ihre Bildhauerwerkstatt: früher meist mit Eichenholz und Kettensäge, einer Materialherausforderung. Für »Verbunden « wählte sie Weymouthkiefer, arbeitete vermehrt mit dem Beitel. Mit Musik und angeregten Gesprächen ging die Vernissage im Parksaal zu Ende.

Bericht im Kreis-Anzeiger am19.08.2024 von Elfriede Maresch

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