22 Aug Die Möglichkeit der Veränderung
Werkstattgespräch beim 8. Werkforum Plastische Perspektiven
»Es sollte mehr solcher Matinee-Veranstaltungen geben.« Dem Ausruf einer Zuhörerin kann man nur zustimmen. Entspannte Sonntagmorgen-Stimmung lag über dem Parksaal. 30 Teilnehmer und vier der Werkfrühstücks-Kunstschaffenden waren gekommen.
Axel Wilisch,Vorstandim Verein Kunst-Projekt, knüpfte die Moderation der Arbeit 90-60-90 von Nicole Jänes an. Sie besteht aus Nylonstrumpfhosen in eher tristen Farben, gespannt über einen quaderförmigen Rahmen mit einem herabhängenden Strumpf, der Assoziationen weckt. Ironisch? Morbide? Die Teilnehmenden nutzten die Chance zum direkten Gespräch und brachten eigene Wahrnehmungen und Fragen ein. Die Wirkung von Jänes gespannten, gebogenen Formen wurde angesprochen; manche fühlten sich an Werke von ManRay oder Meret Oppenheim erinnert.
Lebenskünstler und Frost-Gesprengtes
Die Runde war offen genug für ein Tabuthema: Sind die Werke eher verkäuflich oder allenfalls in Museen präsentierbar? Wie gelingt es jungen Einsteigern, sich auf dem Kunstmarkt zu platzieren? Nicole Jänes sichert sich ihren Lebensunterhalt als Erzieherin, will beim künstlerischen Gestalten nicht in erster Linie dem Markt, sondern ihrer Intention folgen. Darauf sagte Wilisch anerkennend: »Du gehst einen harten Weg.« Als »Experimentator« wurde der Metallbildhauer Clemens Hutter bezeichnet, der mit der Verformung der Metallgebilde in der Kältekammer arbeitet.
«Meine Galerie setzt auf Frost-Gesprengtes«, sagte er, der sich 2018 zur künstlerischen Selbstständigkeit entschloss. Er schilderte aber auch sein Interesse an Verformung durch Wärme, etwa bei Hohlkörpern, verfertigt aus zweierlei Blechen mit verschiedenen Eigenschaften. Solche Plastiken biegen sich und stehen dann idealerweise in privaten Gärten, wo sie über lange Zeiträume wahrgenommen werden können –morgens sehen sie anders aus als abends, im Winter anders als im Sommer.
Zeit spielt auch eine Rolle bei der Wahrnehmung von Ulrich Westerfrölkes kinetischen Arbeiten, die seit 30 Jahren entstehen. Die Aspekte »zur Ruhe kommen, bewusster atmen, vielleicht meditieren« bei ihrer Beobachtung wurden angesprochen. Beginnend mit einem Auftrag zur Bundesgartenschau 1987, waren Westerfrölkes Gebilde im öffentlichen Raum gefragt. Deren Beweglichkeit wurde teils durch Luftstrom, teils durch Wasser ausgelöst:
Mein Kernthema ist die Möglichkeit der Veränderung.« Hinter scheinbar mit leichter Hand gestaltetem steckt intensive kunsthandwerkliche Arbeit. Inspiriert durch Papierblätter im Wind schnitt Westerfrölke innerhalb von zwei Wochen 200 Propeller-ähnliche Metallfolie-Gebilde, formte und verlötete sie auf einem fragilen Trägergitter. Während Corona baute er Kästchen, aus denen sich nach dem Öffnen ein Propeller aufrichtet und dreht, und nannte sie »Uli to go«. So konnte Wilisch davon sprechen, dass auch der Aspekt »crazy« zum Kunstschaffen gehörte.
Aber die Zuhörer staunten doch, welchen Herausforderungen sich Künstler stellen. Westerfrölke berichtete vom Bohren in Drähte mit winzigem Durchmesser, um in kleinstem Raum zu gestalten.
Ortrud Sturm, Holzbildhauerin und älteste Künstlerin des Werkforums, hat als eine ihrer ältesten Arbeiten eine Holz-Elfenbein-Skulptur im Elfenbeinmuseum Erbach stehen. Sie arbeitete schon früh gern mit historischen Hölzern, mit Eichenbalken aus aufgegebenen Fachwerkhäusern. Modultürme gehörten zu ihren wesentlichen Arbeiten. Man habe über sie als junge Frau gestaunt, als sie mit der Kettensäge nicht nur die Oberflächen anging, sondern sich direkt in das Holz hineinarbeitete –ein mühsamer Prozess, den sie da-zu noch als Linkshänderin bewältigte. Inzwischen habe sie sich wieder weicheren Hölzern zugewandt, nehme neben der Kettensäge auch den Stechbeitel.
Vor einiger Zeit wurde sie gebeten, im Bamberger Diözesanmuseum zur Ausstellung vom Edelstein zur Kettensäge beizutragen –neben Arbeiten von Joseph Beuys und Arnold Freiner. Sturm: »Ich stand für die Kettensäge!«
Im Blick auf die abwesende Damaris Wurster richtete Wilisch Fragen an Matthias Weidmann. Als Lehrer am Gymnasium Nidda kennt Weidmann Wursters dortige Funktionen als Stipendiatin von »Artist in Residence«. Damaris Wurster bringt für die Schule eine ganze Reihe Qualifikationen in den Bereichen des Films, des Videos, des digitalen grafischen Gestaltens ein. Zudem ist sie fächerübergreifend tätig, auch im Theaterbereich.
PM von Elfriede Maresch im Kreis-Anzeiger am 20.08.2024
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